Was hat ein Güterzug mit der Klarinette zu tun?
Eigentlich ist die Lokomotive zu schwach, um einen schweren Güterzug in Bewegung zu setzen. Man nutzt den Effekt, die Waggons mit „Spiel“ zu koppeln. So wird beim Anfahren zunächst der erste Waggon in Bewegung gesetzt, ist dieser am Rollen, spannt sich die Kupplung zum zweiten Waggon und so setzt sich das fort. Es kann eine Minute oder länger dauern, bis auch der letzte Waggon rollt.
Was beim Güterzug notwendig ist, kann das Klarinettespielen unerwünscht schwieriger machen. Jedes Teil, das „Spiel“ hat, wird mit zeitlicher Verzögerung ins Schwingen geraten. Jede Klappe, Achse, Schraube, Feder hat ihren Einfluss. Das betrifft vor allem die Ansprache, aber auch den Klang.
Wer schon einmal einen guten Nachbau einer historischen Klarinette gespielt hat, war vielleicht erstaunt über die deutlich leichtere Ansprache, weil hier einfach viel weniger Teile vorhanden sind.
Auch der Effekt, dass eine Klarinette nach der Generalüberholung wieder besser anspricht, ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass die Polster wieder dicht sind, sondern auch darauf, dass auch das Spiel minimiert wurde.
Vergegenwärtigen wir uns, dass eine Schwingung eine schnelle Abfolge von Bewegungen in entgegengesetzten Richtungen ist und übertragen dies auf den Güterzug. Würde die Lok nicht in eine Richtung ziehen, sondern im schnellen Wechsel nur wenige Zentimeter hin- und herfahren, würde der vorderste Waggon die größte Bewegung mitmachen, aber der letzte Waggon vielleicht gar nie in Bewegung geraten. Je weiter vorne beim Zug bzw. je weiter oben an der Klarinette sich ein Bauteil befindet, desto größer der Einfluss auf die Ansprache. Das erklärt auch, warum man mit Blattschraube und Birne einen so hör- und spürbaren Effekt erreichen kann.
Der größte Teil der Schwingung bei einem Blasinstrument findet als longitudinale Schwingung der Luftsäule im Inneren statt. Diese Schwingung wird am unteren Ende (Schalltrichter) direkt auf die Umgebungsluft übertragen. Das Instrument selbst hat auf den Klang daher nicht eine so große Auswirkung, wie beispielsweise der Korpus bei einer Geige.
Wenn man ein kräftiges (leeres) g' spielt und dabei mit der freien Hand der Reihe nach Mundstück, Birne und Schalltrichter berührt, kann man an der Virbration dennoch eine nicht unerhebliche Energie spüren, die im Instrument steckt.
- Bild von Christian Ledermann, bearbeitet von / edited by Gisbert König – Sammlung Christian Ledermann –>> https://cledzh.jimdofree.com/5-und-6-klappen/griessling-schlott-5-klappen/, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=126445794 ↩︎